Die Nest Cam ist eine reine Cloud Cam und richtet sich damit an Käufer, denen es nicht auf eine lokale Speicherung der Videos ankommt. Damit unterscheidet sie sich von den unzähligen IP Cams vornehmlich chinesischer Anbieter, die sonst den Überwachungskameramarkt überschwemmen, und ist in erster Linie mit der Arlo Q von Netgear vergleichbar. Ich war gespannt, wie gut dieses Konzept funktioniert und wie gut sich die Nest Cam im Vergleich mit den vier normalen IP Cams schlägt, die bisher mein Heim überwachen. So viel sei vorweg verraten: Die Hardware und Video Qualität überzeugt, aber es gibt auch ein paar Mankos:Die Pros/Cons in der Zusammenfassung vorab:++ sehr wertige Hardware++ durchdachte Montagemöglichkeiten++ sehr gute Aktivitätserkennung+ einfache In-Betriebnahme+ gute Bildqualität Tags noch etwas besser als Nachts+ ausreichende Nachtsicht+ sehr gute App+ gute Geräuscherkennung+ spritzwassergeschützt+ Geo-Fencing Funktion+ IFTTT Anbindung+ geringer Stromverbrauch+ guter Cloud Speicher+ lange Zuleitungen+ gutes Mikrofono Datenschutz sollte man nicht zu groß schreibeno Gegensprechfunktion nur mäßig brauchbaro leichtes Delay in der Alarmierung (ca. 10 Sekunden)- ohne Zusatzkosten im Vergleich nur sehr kurze Zwischenspeicherung- kein lokaler Zugriff auf den Stream möglich- leichte Randunschärfe des Objektivs- ohne Internetverbindung keine Konfiguration möglich- über IFTTT nicht aktivier-/deaktivierbar- vergleichsweise teurer Speicherservice= In der Summe eine überraschend gute Cloud Cam, die vor allem durch eine wirklich gute Aktivitätserkennung ohne jegliche Fehlmeldungen (false positive) überzeugt. Auch die Bildqualität ist sehr gut (wenngleich nicht mit FullHD auf dem Fernseher vergleichbar und mit leichten Randunschärfen). Die Hardware wirkt sehr durchdacht und es scheint, als hätten die Nest Ingenieure die Cam wirklich selber mal montiert. Hier stimmt jedes Detail. Weniger überzeugt die totale Abhängigkeit von der Cloud. Ein lokaler Zugriff ist leider gar nicht möglich, ohne Internetanbindung geht nichts, d.h. schaltet Nest die Server ab, ist die Investition hin. Abhängig ist die Cam auch vom Abo Service, denn ohne ihn wirkt sie doch arg kastriert. Das ist bei der Konkurrenz meist nicht anders, allerdings ist der Nest Service ausgesprochen teuer. Dennoch hat die Cam viele Pluspunkte, die Hardware überzeugt und so gibt es dennoch gute 4 Sterne.Die NestCam im Detail:Bereits beim Auspacken fällt die Wertigkeit der Hardware auf, kein Vergleich mit den chinesischen Cams, die ich bisher in der Hand hatte. Das Kunststoffgehäuse der Cam wirkt sehr solide. Die Front mit dem Objektiv und den Infratrot LEDs ist schwarz gehalten, während die Cam weiß designed wurde. Zur Anzeige des Status ist an der Front eine zweifarbige Status LED (blau, grün) untergebracht, die sich deaktivieren lässt. Aus dem Gehäuse führt ein knapp 3 Meter langes Kabel mit einem etwas größeren USB Stecker mit Arretierfunktion. Ein entsprechendes Netzteil, mit nochmals 4 Metern Zuleitung, nimmt diesen auf und stellt die Stromversorgung sicher. Damit die Leitungen sauber verlegt werden können, hat Nest sogar Kabelschellen und Schrauben zur Befestigung beigelegt, selbst 6er Dübel finden sich, vorbildlich. Weiterhin ist noch ein Magnethalter im Paket, der nachher die Cam hält. Ein paar Anleitungen liegen noch bei, aber die braucht man nicht.Insgesamt ein sehr positiver erster Eindruck, der den hohen Erwartungen durch den Kaufpreis gerecht wird.Montage:Mit ein wenig handwerklichem Geschick und je nach Montageort ist die Cam in unter einer Stunde sehr sauber montiert. Man merkt, dass sich die Nest Ingenieure hier Gedanken gemacht haben. Die Magnethalterung hält die Cam sicher und erlaubt dennoch eine gute Justage. Sie ist in erster Linie für die rückseitige Montage vorgesehen, hält aber auch von oben, so lange man keinen 90 Grad Winkel benötigt, das funktioniert nämlich nicht. Das Kabel wird an der Rückseite nach unten weggeführt, man kann die Cam aber auch kopfüber montieren, eine entsprechende Konfigurationsoption dreht das Bild dann um, top gelöst.Das Kabel lässt sich dank Schellen sehr sauber verlegen und auch das USB Netzteil wirkt durchdacht. Einziger Wehrmutstropfen ist, dass Nest keine Kabelschellen für das runde Netzkabel beigelegt hat. Perfekt wäre gewesen, Nest hätte auch das Netzkabel demontierbar gestaltet, so hätte es sich noch etwas besser verlegen lassen. Aber das ist jammern auf sehr hohem Niveau. Ich hatte bisher noch keine Cam, die so gut montierbar war.Einrichtung:Die Einrichtung mit dem heimischen WLAN gelingt problemlos, allerdings wird keine WDS Einrichtung unterstützt, man muss also seinen kompletten WLAN Key eingeben. Danach steht die Cam schon in der Nest App zum Betrieb bereit. Wie bei anderen Nest Komponenten auch, benötigt man zwingend ein Konto, um die Cam zu konfigurieren oder darauf zuzugreifen. Ein Web-Interface bietet die Kamera nicht. Stehen also die Server mal nicht zur Verfügung, kommt man nicht an die Cam. Hier wäre zumindest ein eingeschränkter lokaler Zugriff wünschenswert gewesen.Die Konfigurationsparameter sind ausreichend und gut ausgewählt. So lässt sich die Status LED deaktivieren, die Geräuschübertragung aktiviert/deaktiviert werden, die Geräuschempfindlichkeit eingestellt werden, die Art der Alarmierung (E-Mail und/oder Push) konfiguriert, das Geofencing oder ein Zeitprogramm eingestellt werden sowie Nachtsichtmodus und Bildqualität angepasst werden, um die wichtigsten Parameter zu nennen. Spezielle Überwachungsbereiche lassen sich nur im Webzugriff des Nest Services einrichten und auch nur dann, wenn man zusätzlich Münzen einwirft , lediglich der erste Monat ist gratis (dazu später mehr).Insgesamt gibt die Einrichtung keine Rätsel auf und ist auch durch technisch weniger interessierte Nutzer problemlos innerhalb kürzester Zeit machbar.Bildqualität Tag:Bereits der erste Blick in die App offenbart, die Cam hat eine überzeugende Bildqualität, die deutlich über den 720p Bilder meiner China Cams liegt. Zwar ist das Bild nicht ganz so detailliert wie bei normalen FullHD Bildern und die Optik hat mit ein wenig Randunschärfe zu kämpfen, aber dennoch ist die Bildqualität gut (siehe Screenshots). Gesichter können auch auf ca. 3-4 Meter Entfernung eindeutig zugeordnet werden, Bewegungen sind flüssig und Farben stimmen. Kennzeichen o.ä. Sind auch auf 10 Meter noch lesbar. Der Blickwinkel ist gut gewählt, die Cam deckt deutlich mehr als 90 Grad ab, so dass ein großer, überwachter Bereich entsteht.Bildqualität Nacht:Hier setzt sich der gute Eindruck der Bildqualität fort. Das Bild ist wie für Nachtsichtmodi üblich lediglich in schwarz weiß abgebildet und die Schärfe nimmt insbesondere an den Rändern des Sichtbereiches deutlich ab. Aber die Ausleuchtung der IR LEDs ist bis ca. 7-8 Metern durchaus brauchbar und Objekte werden gut beleuchtet. Man erkennt auch hier viele Details und im Vergleich ist die Bildqualität auch im Nachtsichtmodus deutlich besser als bei meinen bisherigen Cams.Tonqualität:Das integrierte Mikrofon ist in der Empfindlichkeit einstellbar und nimmt bei Bedarf auch Gespräche in 8 Metern Entfernung, die bei normaler Lautstärke geführt werden, so auf, dass sie zu verstehen sind. Das ist gut. Die Gegensprechfunktion ist nicht ganz so überzeugend, was bei dem kleinen Lautsprecher auch nicht verwundert. Dieser ist aufgrund der begrenzten Lautstärke und Verständlichkeit nur im direkten Umfeld der Kamera brauchbar.Alarmierung:Neben der Bildqualität eine der größten Stärken der Cam, denn bisher hat die Kamera alles gemeldet, was meldenswert war und auch nichts darüber hinaus. Tiere lösen die Cam nicht aus, während menschliche Aktivitäten, auch von Kindern, oder Autos problemlos und zuverlässig gemeldet werden. Lichtwechsel oder Umschaltungen zwischen Tag- und Nachtmodus führten nicht zu Alarmierungen, ein Fehler, den viele meiner anderen Cams haben. Die Cam unterscheidet mittels Nest Aware sogar zwischen Menschen und anderen Aktivitäten (z.B. Autos) und alarmiert unterschiedlich. Allerdings erfolgt die Alarmierung immer mit ein wenig Verzögerung (sowohl E-Mail als auch Push) – meist zwischen 10 und 30 Sekunden. Also eine Live Unterhaltung mit dem Paketboten, wenn man nicht zu Hause ist, wird man meist nicht hinbekommen.Speicher/Historie:Nest bietet eine lückenlose Historie des aufgezeichneten Streams an, was sowohl in der App als auch im Web-Zugriff des Services optisch sehr ansprechend gestaltet wurde. Man kann auf einem Zeitstrahl in die Vergangenheit scrollen, wobei erkannte Aktivitäten mittels Marken (PC) bzw kleinen Preview Bildern (App) dargestellt werden, toll gelöst. Der Zugriff auf die Aufzeichnungen klappt verzugslos und man kann beliebig innerhalb des Streams scrollen. Schön gelöst. Wenn gewünscht lassen sich Clips herausschneiden oder sogar Zeitrafferaufnahmen (bis 2 Minuten) erstellen, letzteres jedoch nur am PC und nicht in der App.Während der Wiedergabe steht ein Digitalzoom im Bild zur Verfügung, der aber nur in den ersten Zoomstufen wirklich sinnvoll ist, andernfalls erhält man nur noch Pixelbrei.Die Umsetzung des History Zugriffs ist gelungen und ansehnlich gelöst, auch die Bedienung gelingt problemlos ohne dass man das Handbuch bemühen müsste. Das ist schön gelöst. Allerdings sollte man bedenken, dass der Zugriff im Standard Modus nur für die vergangenen 3 Stunden zur Verfügung steht.Nest Aware:Denn um den vollen Umfang der Kamera zu nutzen, ist ein kostenpflichtiger Zusatzservice abzuschließen. Das ist auf der einen Seite verständlich, da der Anbieter auch entsprechenden Speicherplatz für die Cams vorhalten muss und findet sich bei vielen anderen Cloud Cameras, allerdings ist die nutzbare Historie ohne Zusatzservice mit nur 3 Stunden nicht sonderlich groß, hier bietet Netgears Arlos mehr. Morgens kann man so nicht mehr die komplette Nacht einsehen. Ohne den kostenpflichtigen Service funktioniert auch keine Personenerkennung und es lassen sich keine speziellen Überwachungsbereiche im Bild auswählen. Beides wäre aus meiner Sicht noch verschmerzbar. Nest lässt sich den Service im Vergleich aber auch recht teuer bezahlen, zumal für jede weitere Cam ebenfalls Kosten entstehen, das sollte man vor dem Kauf unbedingt berücksichtigen und vergleichen.IFTTT:Nest ist IFTTT fähig und die Kamera kann als Trigger für entsprechende Applets genutzt werden, was sehr gut funktioniert. Leider kann die Kamera selber keine Befehle empfangen, so hätte ich mir hier zumindest die Möglichkeit des An-/Ausschaltens über ein entsprechendes Applet gewünscht. Evtl. folgt ja hier noch ein Ausbau des Channels.Stromverbrauch:Dieser ist erfreulich gering und liegt tagsüber bei unter 3 Watt, Nachts bei knapp über 4 Watt. Selbst bei 24/7 Betrieb halten sich damit die Stromkosten in Grenzen. Das Netzteil wird auch nicht wirklich warm während des Betriebes, gleiches gilt für die Kamera.Sicherheit/Datenschutz:Wer hierauf wert legt, braucht eigentlich nicht über den Kauf nachdenken. Zwar ist der Stream verschlüsselt, läuft aber entweder nach Irland oder in die USA, wo die entsprechenden Server stehen, d.h. ein Mitlesen durch (zumeist staatliche) Dritte kann nicht ausgeschlossen werden. Dadurch, dass die Cam keinen lokalen Zugriff z.B. mittels iSpy bietet, kann man hier auch nicht durch Firewall und lokale Datenspeicherung Abhilfe schaffen. Das sollte aber klar sein und ehrlich gesagt fühle ich mich wohler, die Daten in die Hände von Google zu geben, als die Cloud Apps meiner Chinesischen Cams zu nutzen, aber das muss jeder für sich entscheiden. Der Vorteil ist natürlich, man hat von überall Zugriff auf seine Cam und den Stream.Fazit:Die Cam ist zwar hochpreisig, leistet dafür aber auch recht viel. Die Hardware ist wertig, die Montagemöglichkeiten sind durchdacht, die Bildqualität kann sich sehen lassen auch nachts, die Alarmierung funktioniert gut und sowohl App wie auch Web Zugang sind funktional und optisch sehr ansprechend gestaltet, hier gibt es nichts zu meckern. Dafür setzt die Cam ausschließlich auf die Cloud, ein lokaler Zugriff ist leider gar nicht möglich (anders als z.b. die Arlo Pros) und Nest baut sehr auf seinen kostenpflichtigen Zusatzservice, ohne den die Funktionen auch im Vergleich mit anderen Anbietern doch recht beschränkt sind. Verstärkt wird dieses Manko durch den Umstand, dass der Preis auch wieder im Vergleich nicht gerade günstig ist und bei zwei Cams bereits mindestens 15 Eur im Monat anfallen. Das bringt mich in eine schwierige Situation, denn ich hätte gerne die Außenüberwachung noch erweitert und mir noch zwei weitere Nest Cams aufgrund der guten Funktion geholt. Wegen der Kosten schwanke ich aber noch zwischen den Nest Cams und den Arlo Pros.Daher gibt es auch nur 4 Sterne für die Nest Cams. Eine zusätzliche lokale Speichermöglichkeit oder zumindest 24 Rückblick im Basisservice hätten auch den 5. Stern beschert.Update:Die Kamera ist jetzt fast 3 Wochen im Einsatz und die Zuverlässigkeit ist extrem gut. Bisher wurden erst 2 Fehlalarme durch Autoscheinwerfer ausgelöst, ansonsten funktionierte die Alarmierung extrem zuverlässig und die Personenerkennung ist 100%genau. Gleiches gilt für die Alarmierung außerhalb und innerhalb von Überwachungsbereichen. Aussetzer oder Serverfehler gabe es bisher keine. Die Kamera überzeugt, allerdings sind bei zwei Cams gleich 15 Euro im Monat fällig, das ist schon happig. Daher nach wie vor gute 4 Sterne mit der Tendenz zu fünf.Update2:Der Probemonat Nest Aware ist abgelaufen und man merkt, wie limitiert die Cam ohne den Service ist. Es wird kein kontinuierlicher Stream mehr gespeichert, sondern nur Snippets bei Alarmierungen hinterlegt. Das ist allerdings weniger ein Kritikpunkt, denn die Arlos von Netgear arbeiten nur so. Hier merkt man wie komfortabel es ist, auf einen 24/7 Videospeicher zugreifen zu können. Kritikpunkt ist vielmehr, dass die Speicherung der Snippets nur 3 Stunden in die Vergangenheit reicht, das ist zu wenig.Ich habe mich jetzt dazu entschieden, die 100 Eur im Jahr für den Nest Aware Service zu zahlen, da er einfach wirklich komfortabel ist und sich vom Preis her dahingehend relativiert, als dass der kontinuierliche Video Stream nun mal deutlich mehr Speicherkapazität beim Hersteller benötigt, als es die Snippets bei Arlo tun, hier kommen ganz schnell mehrere Terrabyte für die 7 Tage zusammen und das kostet nun mal Geld. Dafür kann man sich wirklich jede Sekunde der vergangenen Tage nochmals in guter Qualität ohne zu hohe Kompression ansehen und die Videos sind auch dann noch vorhanden, wenn Einbrecher die komplette Bude inkl. der NAS oder der Nest Cam selbst haben mitgehen lassen.